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Elektronische Wahlen und warum ich Wahlhelfer bin

Seit dem ich 18 bin helfe ich als freiwilliger Wahlhelfer bei allen anfallenden Wahlen (Kommunalwahl, Landtagswahl, Bundestagswahl, Volksabstimmungen, Europawahl) bei der Wahldurchführung. Das heißt, dass ich Sonntags um 07:30 im Wahllokal erscheine, die Hälfte der Zeit zwischen 08:00 und 18:00 Uhr vor Ort anwesend bin und ab 18:00 Uhr bis zum Ende der Auszählung (meist zwischen 19:30 Uhr und 21:00 Uhr) die Stimmen auszähle. Seit einiger Zeit bin ich sogar Vorsteher in meinem Wahlbezirk und darf das Material (Stimmzettel, Niederschrift, etc.) anschließend noch beim Wahlamt abgeben.

Warum tue ich mir das an, so viel meiner eng bemessener Freizeit aufzuwenden?

Ich mache es aus Überzeugung. Überzeugung darüber, dass demokratische Wahlen (bei allen Problemen und Kompromissen unseres Wahlsystems und unserer politischen Landschaft) der beste Mechanismus zur Organisation unseres Staates sind. Überzeugung darüber, dass die Durchführung der Wahl vor Ort durch Bürger wie du und ich wie kein anderes System dafür sorgt, dass die Wahlen fair durchgeführt werden. Und Überzeugung darüber, dass die Einführung von Technik in den Wahlprozess schädlich wäre. Ich will meinen kleinen Beitrag leisten, damit das Argument der fehlenden Helfer nicht greift.

Als direkt Betroffener könnte man annehmen, dass ich Technik, die die Auszählung beschleunigen könnte, positiv gegenüber stehen würde. Auszählungen sind anstrengend und langwierig; wie schön wäre es denn, wenn ich um 18:05 Uhr einen Ausdruck generieren könnte, auf dem alle Stimmen fertig ausgezählt wären?

Die Kompromisse, die man eingehen müsste, um das zu erreichen, sind so schlimm, dass ich Technik im Wahlprozess kategorisch ablehne. Und das sage ich als deutlich Technik-freundlicher Informatiker, der seit Jahren Technik in fast allen Lebensbereichen positiv gegenüber steht. Ich bin Online-Banking-Nutzer der ersten Stunde und vertraue der Technik dort, warum also nicht bei Wahlen?

Ich lehne für die Wahlen Technik jeglicher Art ab, unabhängig davon, wie sicher oder unsicher die Technik ist. Alle in Deutschland erprobten Lösungen haben teils eklatante Sicherheitslücken, aber selbst eine nachweisbar sichere Lösung wäre für mich inakzeptabel.

Um diese Einstellung zu verstehen muss man sich mit den Grundsätzen unserer Wahlen beschäftigen. Sie sollen fair (nicht manipuliert) und geheim (damit man nicht wegen seiner Stimme unter Druck gesetzt werden kann) sein; das versteht jeder. Ein wichtiger Punkt, der oft unter den Tisch fallen gelassen wird, ist die Nachvollziehbarkeit und Verlässlichkeit der Wahl für den einzelnen Wähler. Alle Macht im Staat wird durch Wahlen verteilt; schon der Verdacht einer manipulieren Wahl gräbt an den Grundfesten unserer Rechtsordnung.

Unser schwerfälliges papiergestützte System hat den entscheidenden Vorteil, dass der einzelne Wähler ohne Vorkenntnisse sicher sein kann, dass seine Stimme gezählt wurde. Wahlmanipulationen im kleinen Stil auf Bezirksebene sind nur möglich, wenn alle Anwesenden (Wahlhelfer und Zuschauer) gemeinsam die Manipulation vornehmen. Wahlmanipulationen im großen Stil sind unmöglich.

Das wird durch den Wahlprozess sichergestellt. Vor Beginn der Wahl wird für alle Beteiligten sichtbar geprüft, dass in der Wahlurne keine Stimmzettel sind. Das ist ein trivialer Schritt, den selbst Kinder ohne Probleme nachvollziehen können. Anschließend wird die Urne verschlossen und nie alleine gelassen; so ist sichergestellt, dass niemand Unbefugtes zusätzliche Stimmen einschleust.

Der Wähler wirft seinen Stimmzettel selbst in die Urne; er kann sich 100% sicher sein, dass seine Stimme nicht verschütt gegangen ist.

Bei der öffentlichen Auszählung (jeder kann dabei sein; schaut euch das ruhig mal an!) wird die Urne vor Augen aller Anwesenden zum ersten Mal seit Beginn der Wahlhandlung geöffnet und alle Stimmzettel für alle sichtbar herausgeholt. Auch dies ist eine Prüfung, die ein Kind nachvollziehen könnte.

Das Sortieren und Zählen der Stimmen ist ebenfalls sehr einfach nachvollziehbar.

Bei Technik jeglicher Art müsste der Wähler der Technik blind vertrauen. Alle mir bekannten Versuche, den Prozess transparenter zu machen, setzen Vertrauen in den Verifikationsprozess voraus und/oder setzen das Wahlgeheimnis aufs Spiel (im Papier-Prozess kann man im Nachhinein auch unter Druck keinen Beweis für die eigene abgegebene Stimme erzeugen).

Dieses notwendige blinde Vertrauen in die Technik würde die Legitimität der Wahlen sehr leicht angreifbar machen. Der Beweis der Abwesenheit von Manipulationen ist unmöglich; wie schnell würden Verschwörungstheorien, dass der Russe, der Chinese, der Amerikaner, der Echsenmensch die Wahl gefälscht hat, entstehen?

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